null Ärztekammer: ÖGK soll ihre Hausaufgaben machen, aber nicht ein gut funktionierendes System an die Wand fahren

Ärztekammer: ÖGK soll ihre Hausaufgaben machen, aber nicht ein gut funktionierendes System an die Wand fahren

Kassenverträge müssen attraktiver werden - Ohne Wahlärztinnen und Wahlärzte würde Kassensystem zusammenbrechen

Der Frontalangriff des Vizeobmanns der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) auf das niedergelassene Gesundheitssystem in Österreich, mit dem mehr als fragwürdigen Vorschlag, die Wahlärztinnen und Wahlärzte abzuschaffen, wird von Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen und Wiener Ärztekammer, und von Gerald Gingold, Obmann der Kurie angestellte Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, schärfstens zurückgewiesen: „Anstatt alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Kassensystem für Ärztinnen und Ärzte so attraktiv zu gestalten, dass sich auch genügend Interessentinnen und Interessenten finden, will der ÖGK-Vizeobmann das sehr wichtige und versorgungsrelevante Wahlarztsystem abschaffen. Die Folge wäre ein Ansturm auf Spitalsambulanzen, die jetzt schon am Limit sind.“

Der ÖGK-Vizeobmann erwähnt in seiner Polemik nicht, dass es Spitalsärztinnen und Spitalsärzten gar nicht möglich ist, neben ihren Tätigkeiten in öffentlichen Krankenhäusern eine Ordination mit ÖGK-Kassenvertrag zu führen. Gingold: „Vielmehr sollte er diesen Kolleginnen und Kollegen dankbar sein, dass sie neben ihrer aufreibenden Tätigkeit in Spitälern, in ihrer, ihnen eigentlich zustehenden Freizeit, auch noch in einer Wahlarztordination, die von der ÖGK verursachten Lücken des österreichischen Kassensystems stopfen und einen wichtigen Part in der Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung übernehmen, wo sie sich für ihre Patientinnen und Patienten auch die nötige Zeit nehmen können.“ Schuldzuweisungen an die Ärzteschaft helfen bei der Diskussion über Mängel im österreichischen Gesundheitssystem gar nicht. Szekeres:

„Die ÖGK und die Spitalsträger sollten sich mit uns gemeinsam an einen Tisch setzen und die ambulante Versorgung neu denken. Am Ende des Tages sollten die Leistungen dort erbracht werden, wo sie medizinisch und wirtschaftlich am Sinnvollsten sind - Stichwort Best Point of Service.“

Dass in einzelnen Fächern eine chronische Unterversorgung herrscht, liege im Übrigen nicht an einem vom ÖGK-Vizeobmann attestierten Unwillen der Ärztinnen und Ärzte einen Kassenvertrag zu übernehmen, sondern unter anderem daran, dass die ÖGK die nötigen Kassenstellen nicht freigebe. Als Beispiel nennt Gingold etwa die Kinder- und Jugendpsychiatrie: „In Wien haben wir sieben Kassenordinationen in diesem Fach, bräuchten aber mindestens 20, um dem – auch durch die Corona-Pandemie – gestiegenen Bedarf gerecht zu werden.“ Das Interesse an diesem Fach wäre aber gegeben. „Bei der letzten Ausschreibung für eine vakant gewordene Kassenpraxis in diesem Fach gab es zig Bewerberinnen und Bewerber, die diese sofort übernommen hätten“, so Gingold. Nur gebe es zu wenig Kassenplanstellen, um diesen Kolleginnen und Kollegen die Eröffnung einer Kassenordination auch zu ermöglichen.

Als Sofortmaßnahme schlägt die Ärztekammer eine wirklich ernst gemeinte Überarbeitung des veralteten ÖGK-Honorarkatalogs mit einer signifikanten Tariferhöhung vor, damit die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen kostendeckend arbeiten können und um in anderen Fächern, in denen es tatsächlich Nachbesetzungsprobleme gibt, wieder mehr junge Kolleginnen und Kollegen dafür zu gewinnen - so zum Beispiel für Kinderärztinnen und Kinderärzte, deren Honorare im Kassenbereich anderen Fächern gegenüber seit Jahren nachhinken. Gingold: „Die Kassen-Honorare für Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen wurden beispielsweise 28 Jahre lang nicht einmal der Inflation angepasst. Ich glaube nicht, dass der ÖGK-Vizeobmann, auch in seiner Funktion als Gewerkschaftsfunktionär, überhaupt noch einen Fuß in ein Büro setzen würde, wenn er mit demselben Gehalt wie 1994 entlohnt werden würde.“ (bs)