COVID-19: Rekonvaleszentenplasma rettet Leben
Personen, die von COVID-19 genesen sind, können mit einer Blutplasmaspende die Genesung von Erkrankten beschleunigen. Die Österreichische Ärztekammer startet dazu eine Aufklärungsaktion.
Mit Hochdruck wird weltweit an antiviralen Medikamenten und möglichen Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gearbeitet. Bis dahin ist die einzig gezielte Maßnahme die passive Immunisierung von COVID-19-Erkrankten. Dabei werden Antikörper von Menschen, die von einer Infektion bereits genesen sind, an aktuell Erkrankte übertragen und so deren Abwehr unterstützt. Idealerweise wird das Rekonvaleszentenplasma frühzeitig zugeführt, um den Krankheitsverlauf zu erleichtern oder zu verkürzen.
Szekeres: Therapieoptionen nutzen
Die Österreichische Ärztekammer startet nun in Kooperation mit dem ORF eine bundesweite Aufklärungsaktion. Dazu werden sowohl im ORF-Fernsehen als auch im ORF-Radio Spots gesendet, die auf die Blutplasmaspende hinweisen. „Wir suchen dringend nach Personen, die von COVID-19 genesen sind und mit ihrer Spende anderen Erkrankten helfen können. Es freut mich besonders, dass der ORF diese wichtige Aufklärungsaktion kostenfrei unterstützt“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Das Virus ist nicht weg, und umso wichtiger ist es, dass wir Therapieoptionen nutzen.“ Derzeit sind mehr als 16.000 Menschen von COVID-19 genesen. „Diese Menschen können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Leben zu retten“, betont der ÖÄK-Präsident.
Wichtig sei es, dass mögliche Spender nicht nur direkt von den Behörden angeschrieben werden, sondern auch über die Öffentlichkeit und über ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte darüber informiert werden, dass sie anderen durch eine Spende helfen können. „Diese klassische und bewährte Art der Bekämpfung von Infektionskrankheiten kann entscheidend sein, wenn es zu einer weiteren Infektionswelle kommt“, sagt Szekeres.
COVID-19-Genese sollten idealerweise 28 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik spenden, da die gebildeten Antikörper in diesem Zeitraum qualitativ und quantitativ am hochwertigsten sind. Je frühzeitiger COVID-19-Erkrankte das Rekonvaleszentenplasma erhalten, desto besser: „Damit kann eine weitere Virusvermehrung eingedämmt werden und der Krankheitsverlauf wird verkürzt“, sagt Szekeres. Derzeit ist das Spenden unter anderem beim Roten Kreuz, im AKH Wien und in Plasmapherese-Instituten möglich.
Schwartz: Anwendung sollte frühzeitig und länderübergreifend erfolgen
Die Erfahrungen aus der COVID-19 Pandemie sowie auch der letzten 130 Jahre haben gezeigt, dass Plasma von rezent Genesenen (Rekonvaleszentenplasma, passive Immunisierung) sehr erfolgreich zur Therapie und Prophylaxe von bakteriellen und viralen Infektionen eingesetzt werden kann. „Durch neuere spezifische Therapien und aktive Immunisierung ist diese Strategie jedoch in den letzten Jahrzehnten in den Hintergrund geraten“, sagt Dieter Schwartz von der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der MedUni Wien sowie Bundesfachgruppenobmann für Transfusionsmedizin der Österreichischen Ärztekammer.
„Beim Auftreten neuer Erreger hat diese Strategie jedoch unter Umständen den wesentlichen Vorteil, sehr frühzeitig anwendbar zu sein“, sagt er. Das sei in den weltweit abgestimmten Pandemieplänen offensichtlich nicht berücksichtigt worden: „Es ist daher zu fordern, dass diese Pandemiepläne dahingehend überarbeitet werden, dass im Falle eines Wiederaufflammens oder einer weiteren Pandemie durch einen neuen Erreger Rekonvaleszentenplasma möglichst frühzeitig und länderübergreifend zur Anwendung kommen kann“, sagt Schwartz.
Leitner: Medizinische Herausforderungen
Die Idee, Plasma von Personen, die eine bestimmte Virusinfektion durchgemacht haben, als Heilmittel für andere Erkrankte zu versuchen, ist uralt. Die Ratio dahinter ist die - mittlerweile bewiesene - Annahme, dass im Plasma von Genesenen potente Antikörper gegen das Virus zu finden sind, die zur Zerstörung des Virus und damit zur Heilung des Patienten führen können. Emil von Behring hat bereits vor mehr als 100 Jahren das Blut von Überlebenden erfolgreich gegen Diphtherie und Tetanus eingesetzt. 1901 bekam er dafür den Nobelpreis. Auch im Rahmen des letzten Ebola-Ausbruchs wurde Plasma von Überlebenden zum Teil erfolgreich angewendet.
„Die Logik hinter dieser Therapieform ist nachvollziehbar und berechtigt zur Annahme, dass der Einsatz von sogenanntem „convalescent plasma“ auch in der COVID-19-Erkrankung eine positive (heilende) Wirkung hat“, sagt Gerda Leitner, die die interimistische
Klinikleitung der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der MedUni Wien innehat. Fallberichte aus China und Italien ließen diesen Rückschluss zu. „Mittlerweile gibt es validierte Antikörper-Tests, die die Bestimmung der vorhandenen Antikörper erlauben“, betont Leitner. Grundsätzlich werde Plasma in der Medizin in vielen Indikationen eingesetzt. Die Anwendung ist somit vielfach erprobt und gilt als sicher. Eventuell auftretende Nebenwirkungen sind gut beherrschbar. „Auch die Spende ist Routine und stellt für den Spender kein Risiko dar“, sagt Leitner.
Die Herausforderung dieser Therapieform ist laut der Expertin aber, dass sowohl die wirksame Konzentration an Antikörpern als auch die Art der Antikörper (z.B. neutralisierende Antikörper) bzw. das Kombinationsmuster noch unbekannt sind. „Diesbezüglich gibt es eine EU-weite Database, die unter anderem Details der Plasmasammlungen und Bearbeitungen sowie die Transfusionen und das Outcome der Patientinnen und Patienten sammelt und so konsistente Aussagen über diese Therapieform und auch Antworten auf die offenen Fragen ermöglicht“, sagt Leitner. Es seien sich alle darin einig, dass groß angelegte randomisierte multizentrische Studien zur Therapieoptimierung hinsichtlich Frequenz und Intervall der Behandlung sowie Plasmaspezifikation notwendig sind.
Jungbauer: Männer mit hoch fieberhaften Krankheitsverläufen als Spender gesucht
„Wir möchte uns zuerst einmal für die Hilfsbereitschaft bedanken“, sagt Christof Jungbauer, medizinischer Leiter der Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom Österreichischen Roten Kreuz, die Blutplasma von Personen sammelt, die eine schwere COVID-19-Erkrankung durchgemacht haben und bereits wieder genesen sind. „Bis dato haben sich einige 100 Menschen für diese besondere Spende gemeldet. Mit dem Plasma konnten in etwa 35 schwerstkranke Personen in Österreich behandelt werden“, erzählt er. Es sei nun wichtig, auch für eine zweite Welle vorbereitet zu sein und den behandelnden Ärztinnen und Ärzten in den Spitälern dieses Produkt unmittelbar für die Therapie Schwererkrankter zur Verfügung zu stellen.
Als Rekonvaleszentenplasma-Spende eigne sich eine bestimmte Personengruppe: „Wir brauchen jetzt insbesondere noch Spender, die hoch fieberhafte Krankheitsverläufe hatten“, sagt Jungbauer. Personen, die schwer erkrankt waren und wieder gesund sind, haben nämlich eine große Menge an Antikörpern gebildet. „Außerdem rufen wir besonders Männer dazu auf, auf diese besondere Art zu helfen“, sagt Jungbauer. Grund dafür sei, dass Frauen im Rahmen von Schwangerschaften zusätzliche Antikörper bilden können, die in bestimmten Fällen für Empfänger von Plasma unverträglich sind. Bei Spenden von Männern oder Frauen, die keine Schwangerschaften hatten, können diese Nebenwirkungen beim Empfänger nicht auftreten.
Wer beim Österreichischen Roten Kreuz spenden möchte, der solle zu Beginn Kontakt mit dem Blutspendedienst unter der Nummer 0800 190 190 aufnehmen: „Dort können Fragen zu Voraussetzungen und Zulassung im Detail geklärt und auch gleich ein Termin für die Spende vereinbart werden“, sagt Jungbauer. Die Spende selbst dauere dann weniger als eine Stunde. Sie läuft folgendermaßen ab: Vor der Spende ist eine Voruntersuchung notwendig. Für die Spende von Rekonvaleszentenplasma werden eigene Geräte – sogenannte Zellseparatoren – verwendet. Über die Armvene wird Blut entnommen. Das Plasma mit den darin enthaltenen Antikörpern wird gesammelt, die restlichen Blutbestandteile werden wieder zurück in den Körper geleitet.
Die Spende per Zellseparator ist nur an Blutspende-Fixstandorten, wie z.B. der Blutspendezentrale in 1040 Wien, möglich (Infos zu allen Adressen unter 0800 190 190). Wer z.B. aus geografischen Gründen nicht an einen Fixstandort kommen kann, der kann auch über eine Vollblutspende bei einer mobilen Aktion spenden. In diesem Fall bittet das Rote Kreuz auch um Kontaktaufnahme vorab unter 0800 190 190, um die Zulassungskriterien und das Prozedere vor Ort abzuklären. „Erstkontaktpunkt für alle potenziellen Rekonvaleszentenspender beim Roten Kreuz ist jedenfalls die Telefonnummer 0800 190 190“, betont Jungbauer. Es besteht zudem auch die Möglichkeit, an den Transfusionsmedizinischen Instituten der Medizinischen Universitäten Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck oder bei Takeda Rekonvaleszentenplasma zu spenden.
„Egal über welche Abnahmeart die Antikörper gespendet werden: Sie können Leben retten. Denn wenn es zu einem neuerlichen Anstieg an Covid-19-Erkrankungen kommt, helfen diese Spenden Schwerkranken, die selbst nicht ausreichend oder nicht in guter Qualität Antikörper bilden können, die Erkrankung zu überwinden. So sind wir für eine zweite Welle gerüstet“, sagt Jungbauer abschließend.
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