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Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport 2020

Wien, 10. August 2021 – Zum zweiten Mal wurde in einer umfangreichen Studie im Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport das Wiener Gesundheitssystem aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten, der Ärzteschaft, der Politik sowie der Wirtschaft beleuchtet. Für Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen und Wiener Ärztekammer, zeigte die das Vorjahr alles bestimmende COVID-19-Krise, dass „unser Gesundheitssystem grundsätzlich sehr gut aufgestellt ist, die Stärken und Schwächen der Wiener Gesundheitsinfrastruktur aber gleichzeitig sehr deutlich hervorgetreten sind. Gerade in Krisenzeiten sind ein starkes Gesundheitswesen und eine verlässliche, moderne Gesundheitsinfrastruktur unverzichtbar. Wir brauchen daher mehr Investitionen sowie ein Ende der Diskussion um mögliche Einsparungen“.

Im Zuge der Corona-Krise hat sich Handlungsbedarf in allen Bereichen, von der Pflege über den niedergelassenen Sektor bis hin zur Spitalsinfrastruktur, offenbart. Szekeres: „Neben mehr Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur benötigt Wien mehr niedergelassene Kassenärztinnen und -ärzte sowie eine Aufstockung des Personalstands in den Wiener Spitälern – diesbezüglich wurden von der Stadt Wien und vom Gesundheitsverbund schon erste Schritte gesetzt.“

In diesem Zusammenhang sollten aber auch die Spitalsambulanzen intramural durch Triagemodelle – etwa durch vorgelagerte Akutordinationen oder Erstversorgungsambulanzen – entlastet werden. Nachdem diese in Wien als Erstversorgungsambulanzen beschlossen wurden, müssen sie rasch in allen Spitälern des Gesundheitsheitsverbunds ausgerollt werden. „Auch telemedizinische Leistungen, wie etwa die telefonische Krankschreibung, müssen dauerhaft etabliert werden und dürfen nicht mehr nur als vorübergehende Projekte von der Österreichischen Gesundheitskasse zeitlich limitiert werden“, fordert Szekeres.

Notwendigkeit von Investitionen

Für Studienautor David Ungar-Klein ist klar: „Die COVID-19-Krise hat den Stellenwert einer gut ausgebauten, hochwertigen Spitalsinfrastruktur und die Notwendigkeit entsprechender Investitionen in zusätzliches Personal deutlich gemacht.“ Die empirischen Studien unter Patientinnen und Patienten sowie der Ärzteschaft zeigten große Übereinstimmung zwischen diesen Gruppen in der Einschätzung der Probleme und Herausforderungen für die Wiener Gesundheitsinfrastruktur. So fordern 64 Prozent der Patientinnen und Patienten sowie 70 Prozent der Ärztinnen und Ärzte mehr Investitionen in die Wiener Gesundheitsinfrastruktur.

Ein großes Thema beim Zustand der Gesundheitsinfrastruktur ist weiterhin eine partielle Ineffizienz im Wiener Gesundheitswesen. Sowohl 2018 als auch 2020 wurden jeweils von einem Drittel der Ärzteschaft sowie der Patientinnen und Patienten mangelnde Abstimmung und dadurch entstehende Ineffizienz im Wiener Gesundheitssystem bemängelt. „Ineffizienzen im Wiener Gesundheitswesen schaden dem Gesundheitsstandort Wien und binden Mittel, die besser in die Versorgung der Patientinnen und Patienten investiert werden sollten“, so Ungar-Klein.

Interessantes Detailergebnis: Patientinnen und Patienten vertrauen den Ärztinnen und Ärzten nicht nur in medizinischer Hinsicht, sondern auch mit Blick auf die notwendigen Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur. Zwei Drittel fordern, dass die Ärzteschaft federführend entscheiden soll, wohin Investitionen fließen sollen. Nur 13 Prozent wollen, dass Politiker über Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur entscheiden. „Das zeigt, dass Themen wie Qualitätssicherung in Spitälern und Ordinationen keinesfalls in die Hände der Politik und der Bürokratie gelegt werden sollten, sondern weiter unmittelbar von der Ärzteschaft aus gesteuert werden müssen“, betont Ärztekammerpräsident Szekeres.

Weitere wichtige Ergebnisse des Reports aus den Umfragen unter Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten zeigten, dass die wichtigsten Forderungen an die Politik der Aufbau einer mobilen Pflegeinfrastruktur sowie mehr Kassenverträge und Investitionen in die öffentliche Spitalsinfrastruktur sind.

Felderer: Wien hat „im Prinzip“ ein gutes Gesundheitssystem

Bernhard Felderer, ehemaliger Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) und ehemaliger Präsidenten des österreichischen Fiskalrates, attestiert in seiner volkswirtschaftlichen Analyse, in der er Demografie, Organisation und Effizienz des Wiener Gesundheitssektors untersuchte, dass Wien zwar „im Prinzip ein gutes Gesundheitssystem hat, dennoch aber Mängel bestehen – sowohl in der Art der Finanzierung als auch in der Qualität der Eingriffe beziehungsweise der medizinischen Hilfe“. Für Felderer sind ein nach wie vor ungelöstes Problem des Wiener Gesundheitswesens die massiv überfüllten Spitalsambulanzen: „Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es gerade mit Blick auf die Krisenfestigkeit des Systems geboten, die Effizienzpotenziale des Gesundheitswesens zu heben, um die medizinische Versorgung einer alternden Gesellschaft bewältigen zu können. Die Zukunft der Gesundheit erfordert mehr politische Ambition und die Mobilisierung aller verantwortlichen Akteure und Stakeholder, um für Versorgungssicherheit und Effizienz zu sorgen.“

Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport 2020 online abrufbar

Der Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport 2020 umfasst eine Bestandsaufnahme des Wiener Gesundheitssystems, die systematische Aufarbeitung ausgewählter Rahmenbedingungen und Bereiche der Wiener Gesundheitsinfrastruktur mit den wesentlichen Kennzahlen zur demografischen Entwicklung, zur stationären und niedergelassenen medizinischen Versorgung, zu Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, zu Digitalisierung und E-Health, den bestehenden Gesundheitshotlines in Wien sowie der öffentlichen Erreichbarkeit der Krankenanstalten in Wien. Im Rahmen der Erstellung des Reports wurden unter anderem eine qualitative Studie unter Experten und Stakeholdern der Wiener Gesundheitsinfrastruktur sowie quantitative Erhebungen unter Patientinnen und Patienten und der Ärzteschaft durchgeführt.

Der neue Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport 2020 kann auf der Website der Ärztekammer für Wien nachgelesen und heruntergeladen werden: www.aekwien.at/gesundheitsinfrastrukturreport-2020.

Ihre Gesprächspartner:

Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres
Präsident der Österreichischen und Wiener Ärztekammer

Univ.-Prof. Dr. Bernhard Felderer
Wissenschaftlicher Begleiter der Studie, ehem. Direktor des Instituts für Höhere   Studien (IHS), ehem. Präsident des österreichischen Fiskalrates

David Ungar-Klein
Studienautor, GF CreateConnections

 

Kontakt für Journalisten-Rückfragen:

Ärztekammer für Wien, Mag. Bernhard Salzer
Telefon: 01/515 01-1407 DW, 0664/8109692, Fax: 01/512 60 23-1273,
E-Mail: mmmc2FsemVyQGFla3dpZW4uYXQ= 
online-Medienservice der Ärztekammer für Wien: www.aekwien.at

Fotos der Pressekonferenz

V.l.n.r.: Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres (Präsident der Österreichischen und Wiener Ärztekammer), Univ.-Prof. Dr. Bernhard Felderer (Wissenschaftlicher Begleiter der Studie, ehem. Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), ehem. Präsident des österreichischen Fiskalrates) und David Ungar-Klein

Fotocredit: Ärztekammer für Wien / Alexander Tanasic