Presseaussendungen
Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien: „Eklatante Versorgungslücken in der Kinder- und Jugendpsychiatrie schließen!“
Versorgungskonzept ist auf spezifische Herausforderungen der Metropole Wien zuzuschneiden
Laut aktuellem Rechnungshof-Bericht zur Kinder- und Jugendpsychiatrie sind „Kinder und Jugendliche in sehr hohem Maße unterversorgt“. Johannes Steinhart, Präsident der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien, sieht dringenden Handlungsbedarf: „Wir fordern seit langem, die psychiatrische Versorgung für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Wenn man in Wien im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Schnitt 90 Tage auf einen Kassentermin warten muss, so ist das eine untragbare Situation für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie ihre Familien.“ Der Rechnungshof zeige klar auf, wo angesetzt werden müsse, sagt Steinhart: „Es braucht zum einen ausreichend Kassenstellen, zum anderen müssen die Betreuungsplätze in den Spitälern, in Tageskliniken und im ambulanten Bereich aufgestockt werden.“
Auch Eduardo Maldonado-González, Obmann der Kurie angestellte Ärzte und Vizepräsident der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien, schließt sich der Analyse und den Schlussfolgerungen des Rechnungshofes an: „Wir möchten auf zentrale Problembereiche hinweisen, die aus unserer Sicht dringender Maßnahmen bedürfen. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein hochspezialisiertes Fachgebiet, das erst seit 2007 als eigenständiges Fach existiert und sich noch immer im Aufbau befindet. Gerade in einer Millionenstadt wie Wien, in der Kinder und Jugendliche mit psychischen Belastungen besonders stark gefordert sind, ist eine flächendeckende und qualitätsvolle Versorgung unerlässlich.“
Maldonado-González weist auf die weiterhin gravierenden Versorgungslücken hin – trotz punktueller Verbesserungen, etwa durch den Ausbau ambulanter Angebote im Bereich der Psychosozialen Dienste der Stadt Wien (PSD-Wien) und der niedergelassenen Kassenstellen: „Besonders alarmierend ist, dass am traditionsreichen Standort Rosenhügel das Primariat für Kinder- und Jugendpsychiatrie nur interimistisch besetzt ist. Die Stelle ist seit Ende April vakant, und eine Nachbesetzung ist bislang nicht in Sicht.“
Darüber hinaus wurden die stationären Kapazitäten in den Wiener Spitälern in den letzten Jahren nicht ausreichend aufgestockt. Personalmangel herrscht sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen Bereich. Umso wichtiger ist es Maldonado-González, das hohe Engagement des Spitalspersonals hervorzuheben: „Unser ausdrücklicher Dank gilt allen Ärztinnen und Ärzten sowie dem gesamten medizinischen und therapeutischen Personal, die tagtäglich in diesem anspruchsvollen Fachgebiet unter oft schwierigen Rahmenbedingungen Großartiges leisten und das System am Laufen halten.“
Die Kurie angestellte Ärzte wies bereits im Jahr 2022 in einer Resolution auf die Missstände in der Kinder- und Jugendpsychiatrie hin und forderte konkrete Verbesserungen ein. Leider sei seither zu wenig geschehen, wie Lisa Leutgeb, 1. Stellvertretende Kurienobfrau der angestellten Ärzte und selbst in Ausbildung zur Fachärztin für Psychiatrie in der Klinik Floridsdorf, erläutert: „Gerade im urbanen Raum kommt der Kinder- und Jugendpsychiatrie eine besondere Bedeutung zu – Vergleiche mit ländlichen Regionen bringen uns hier nicht weiter. Vielmehr braucht es ein Versorgungskonzept, das auf die spezifischen Herausforderungen der wachsenden Metropole Wien zugeschnitten ist.“
Maldonado-González richtet abschließend vier Forderungen der Kurie angestellte Ärzte an die gesundheitspolitisch Verantwortlichen: „Wir fordern erstens den sofortigen Ausbau kinder- und jugendpsychiatrischer Bettenkapazitäten in Wien, zweitens den strukturierten Aufbau weiterer tagesklinischer und ambulanter Betreuungseinrichtungen sowie Ausbau des innovativen Home-Treatment-Konzepts, drittens ein klares Versorgungskonzept für den Standort Rosenhügel inklusive rascher Nachbesetzung des noch immer nur interimistisch besetzten Primariats, und viertens die vollständige Übernahme der Ausbildungskosten der Turnusärztinnen und -ärzte durch den Dienstgeber, um den Fachkräftebedarf nachhaltig abzusichern. Es ist höchste Zeit, den Worten nun auch Taten folgen zu lassen – gerade zum Wohle unserer jüngsten Patientinnen und Patienten. Schließen wir endlich die eklatanten Versorgungslücken in der Kinder- und Jugendpsychiatrie! Die längst überfällige Umsetzung des zweiten WIGEV-Personalpakets mit Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Spitälern wäre ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.“